Shiva ist der Gott der Zerstörung, aber auch der Erneuerung, der Mächtigste der drei Hauptgötter. Als solcher ist es zB auch das Fest des Militärs (auf dem Militärgelände in Kathmandu wurde gestern sehr viel für Paraden aufgebaut, unter anderem ein Haus, das heute feierlich gesprengt werden sollte), aber genauso ein guter Tag, um Tote beim Shivatempel an der dafür vorgesehenen Verbrennungsstelle zu bestatten oder um Marihuana zu rauchen, das an diesem Tag (streng genommen allerdings nur für Priester) legal ist.
Man merkt schon, dieses Fest steckt voller Möglichkeiten. Und in einer solchen, despektierlich ausgedrückt, Freakshow fanden wir uns wieder. Nachdem wir uns an einer ungelogen kilometerlangen Schlange aus Hindus, die den Tempel betreten wollten vorbeigedrückt und brav unseren Touri-Eintritt gezahlt hatten, kamen wir als erstes an der Verbrennungsstätte vorbei, bzw konnten von einem Vorsprung direkt auf sie heruntersehen. Da ich nicht weiß, wie zart eure Gemüter sind, erspare ich euch detailliertere Beschreibungen. Es war aber schon sehr eindrucksvoll. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann mich gerne persönlich danach fragen.
Als der Wind drehte und der Rauch und die Asche direkt auf uns zukamen, verließen wir fluchtartig den Aussichtspunkt und überquerten den Fluss. Dort folgten wir einer Treppe nach oben, an deren Seiten etliche Sadhus (was übersetzt soviel heißt wie "Heiliger", im Prinzip sind es Asketen), sowie sehr viele junge Männer saßen, die teilweise schon ziemlich bekifft wirkten und in aller Ruhe Zigaretten ausleerten, um sie mit Haschisch wieder zu füllen. Dazwischen gab es ein paar, die Leuten die Stirn bemalten (und dann natürlich Geld forderten), einige ganz weiß Bemalte, die auch nicht mehr so wirkten, als würden sie in unserer Welt verweilen und sogar welche, die nichts trugen, außer einem Lendenschurz, bzw die sich vor johlender Menge soweit auszogen. Ein Priester bestand darauf, mir eine Hand voll Gras zu schenken, was ich jedoch, brav, wie ich bin wieder wegwarf. In einem Tempel gegenüber wurde getanzt, oberhalb im Fluss wurden Blumen- und Farbopfer gebracht, ein Stückchen entfernt fand ein Volksfest mit Riesenrad und anderen Fahrgeschäften statt, Hubschrauber flogen über das Gelände und warfen orange Tagetes-Blüten ab. Und währenddessen wurden fleißig weiter die Toten verbrannt. Einer wurde sogar von einem Ambulanzfahrzeug gebracht, das fanden wir doch ein bisschen erstaunlich.
Es ist wirklich schwierig, diese Fülle an Eindrücken, Bildern, Gerüchen und Geräuschen in Worte zu fassen. Leider sind hier auch Fotos nicht annähernd ausreichend, um die Atmosphäre zu beschreiben. Trotzdem werde ich euch natürlich in dieser Hinsicht nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Stellt euch dazu wilden Trubel, Musik, Staub und Asche, sowie einen beißenden Geruch, ab und an abgelöst von Haschisch-Geruch vor, dann kommt das so ungefähr hin.
Noch unbedarft |
Joints drehen mit Zeitungspapier. Einige waren schon so dicht, dass sie mich mit "Kali" ansprachen
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Orange Blüten: die Farbe Shivas |
Trauernde Männer scheren sich die Kopfhaare |
Wer findet den Ambulanzwagen? |
Jahrmarkt |
Die Menschenmenge vor dem Eingang |
Im Hintergrund der goldene Tempel, links am Flussufer die Verbrennungsstätte |
Musik und Tanz vor dem Haupttempel |
Die Bilder sind mit Absicht ein bisschen ungeordnet. Ungefähr so muss man sich den Wechsel der tausend Eindrücke vorstellen.
Leider war es unser letzter gemeinsamer Tag, denn Max und Bettina fliegen morgen früh wieder zurück nach Deutschland, Constantin, Lion und ich werden drei Tage wandern gehen. Der nächste Post wird also ein paar Tage auf sich warten lassen.
Hallo Sophie, eine tolle Beschreibung eines sehr besonderen Ereignisses, die Bilder wirken durch die Erklärungen noch stärker. Sehr beeindruckend. Freue.mich auf ein baldiges Wiedersehen.
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