Freitag, 24. Februar 2017

Shivafest in Patupashinat


Das Shivafest ist ein großer Feiertag für die Hindus und ein zentraler Ort, um dieses gebührend zu feiern ist die Tempelanlage in Patupashinat, eigentlich in Kathmandu.
Shiva ist der Gott der Zerstörung, aber auch der Erneuerung, der Mächtigste der drei Hauptgötter. Als solcher ist es zB auch das Fest des Militärs (auf dem Militärgelände in Kathmandu wurde gestern sehr viel für Paraden aufgebaut, unter anderem ein Haus, das heute feierlich gesprengt werden sollte), aber genauso ein guter Tag, um Tote beim Shivatempel an der dafür vorgesehenen Verbrennungsstelle zu bestatten oder um Marihuana zu rauchen, das an diesem Tag (streng genommen allerdings nur für Priester) legal ist.
Man merkt schon, dieses Fest steckt voller Möglichkeiten. Und in einer solchen, despektierlich ausgedrückt, Freakshow fanden wir uns wieder. Nachdem wir uns an einer ungelogen kilometerlangen Schlange aus Hindus, die den Tempel betreten wollten vorbeigedrückt und brav unseren Touri-Eintritt gezahlt hatten, kamen wir als erstes an der Verbrennungsstätte vorbei, bzw konnten von einem Vorsprung direkt auf sie heruntersehen. Da ich nicht weiß, wie zart eure Gemüter sind, erspare ich euch detailliertere Beschreibungen. Es war aber schon sehr eindrucksvoll. Wer mehr darüber erfahren möchte, kann mich gerne persönlich danach fragen.
Als der Wind drehte und der Rauch und die Asche direkt auf uns zukamen, verließen wir fluchtartig den Aussichtspunkt und überquerten den Fluss. Dort folgten wir einer Treppe nach oben, an deren Seiten etliche Sadhus (was übersetzt soviel heißt wie "Heiliger", im Prinzip sind es Asketen), sowie sehr viele junge Männer saßen, die teilweise schon ziemlich bekifft wirkten und in aller Ruhe Zigaretten ausleerten, um sie mit Haschisch wieder zu füllen. Dazwischen gab es ein paar, die Leuten die Stirn bemalten (und dann natürlich Geld forderten), einige ganz weiß Bemalte, die auch nicht mehr so wirkten, als würden sie in unserer Welt verweilen und sogar welche, die nichts trugen, außer einem Lendenschurz, bzw die sich vor johlender Menge soweit auszogen. Ein Priester bestand darauf, mir eine Hand voll Gras zu schenken, was ich jedoch, brav, wie ich bin wieder wegwarf. In einem Tempel gegenüber wurde getanzt, oberhalb im Fluss wurden Blumen- und Farbopfer gebracht, ein Stückchen entfernt fand ein Volksfest mit Riesenrad und anderen Fahrgeschäften statt, Hubschrauber flogen über das Gelände und warfen orange Tagetes-Blüten ab. Und währenddessen wurden fleißig weiter die Toten verbrannt. Einer wurde sogar von einem Ambulanzfahrzeug gebracht, das fanden wir doch ein bisschen erstaunlich.
Es ist wirklich schwierig, diese Fülle an Eindrücken, Bildern, Gerüchen und Geräuschen in Worte zu fassen. Leider sind hier auch Fotos nicht annähernd ausreichend, um die Atmosphäre zu beschreiben. Trotzdem werde ich euch natürlich in dieser Hinsicht nicht auf dem Trockenen sitzen lassen. Stellt euch dazu wilden Trubel, Musik, Staub und Asche, sowie einen beißenden Geruch, ab und an abgelöst von Haschisch-Geruch vor, dann kommt das so ungefähr hin.



Noch unbedarft





Joints drehen mit Zeitungspapier. Einige waren schon so dicht, dass sie mich mit "Kali" ansprachen



Orange Blüten: die Farbe Shivas

Trauernde Männer scheren sich die Kopfhaare

Wer findet den Ambulanzwagen?

Jahrmarkt

Die Menschenmenge vor dem Eingang

Im Hintergrund der goldene Tempel, links am Flussufer die Verbrennungsstätte


Musik und Tanz vor dem Haupttempel

Die Bilder sind mit Absicht ein bisschen ungeordnet. Ungefähr so muss man sich den Wechsel der tausend Eindrücke vorstellen.


Leider war es unser letzter gemeinsamer Tag, denn Max und Bettina fliegen morgen früh wieder zurück nach Deutschland, Constantin, Lion und ich werden drei Tage wandern gehen. Der nächste Post wird also ein paar Tage auf sich warten lassen.

Donnerstag, 23. Februar 2017

Patan und Bakthapur

Zwei der drei Königsstädte fehlten uns ja jetzt noch: Der perfekte Tagesplan für heute also. Vor allem, da eigentlich alle drei mehr oder weniger zusammengewachsen sind.
Zuerst besuchten wir den Durbar Square von Patan. Auch hier befindet sich viel im Aufbau. Der Innenhof des Kali-Tempels war jedoch schon so weit, dass man ihn betreten konnte. Kali ist die wütende Form von Parvati, der Frau Shivas und in dieser Form die mächtigste aller hinduistischen Gottheiten. Deshalb werden ihr Tieropfer gebracht, nur männliche Tiere, deren Blut an die goldene Türe des Tempels gespritzt wird. Gesäumt wird diese von Statuen der zwei wichtigsten Flüsse (Flüsse sind alle weiblich im Hinduismus).




Außerdem gibt es im ehemaligen Palast eine ganz interessante Ausstellung mit vielen Figuren und religiösen Darstellungen.
Interessant war auch die Information, dass früher die Frauen eines Königs nach seinem Tod lebendig verbrannt wurden. Ein König hatte 32 Frauen, aber nur eine Tochter, die den Müttern und dem Vater nach deren Tod einen Krishna-Tempel auf dem Platz erbaute. (Berechtigte Frage von Bettina: Von wem war die Tochter tatsächlich?)



Aussicht auf den Durbar Square


Innenhof des Palastes

Ein Weltkulturerbe im Wiederaufbau

Bakthapur, leider ebenfalls sehr stark durch das Erdbeben beschädigt, ist als ganze Stadt zum Weltkulturerbe erklärt worden. Schon vor dem zerstörerischen Ereignis (von 1972 bis 85) gab es hier eine nepalisch-deutsche Zusammenarbeit zur Restauration der alten Bausubstanz. Deshalb gibt es in der Nähe des Shiva Tempels am Hauptplatz auch eine Helmut Kohl – Tafel. Überhaupt jagt ein beeindruckender Platz den anderen, verbunden durch schmale Gässchen voller Geschäfte, die allerdings viel ruhiger sind, als beispielsweise in Kathmandu.
Laut Mondkalender war heute ein guter Tag, um zu heiraten. Das nutzten in Bakthapur auch einige Familien einer ethnischen Untergruppe, um ihre kleinen Töchter so im Alter von circa vier Jahren ihrer ersten Hochzeit zu unterziehen. Diese findet mit einem Obst statt (anscheinend einer Art Holzapfel) und hat den Zweck, dass die spätere Frau, selbst wenn ihr Mann einmal sterben sollte nicht zur Witwe werden kann.



Unser Grüppchen mit Reiseleiter Mukunda

Geschmückt für die Obsthochzeit

Noch eine kleine Braut




Durbar Square in Bakhtapur: Links der Palast, rechts im Bild der Shiva Tempel


Stupas und Altstadt in Kathmandu

Auf Empfehlung von Dirk und Sabine, die uns im Vorfeld schon sehr unterstützt haben und auch viele wertvolle Tipps mit auf den Weg gaben, verbrachten wir zwei Tage mit Mukunda, einem deutschsprachigen Reiseleiter, der uns super viel zu ungefähr allem erzählen konnte.
Der erste „Altstadt-Tag“ führte uns morgens zu einer buddhistischen Stupa, auch Affentempel genannt, da dort lauter Paviane munter herumklettern.
Hier lernten wir viel über den Buddhismus: Dass er im Prinzip eine Art reformierter Hinduismus ist, wie Gebetsmühlen funktionieren (sie enthalten ein Mantra; man kann ein-, drei-, fünf- oder hundertachtmal herumgehen und sie dabei drehen), dass die „Nase“ auf der Stupa keine solche, sondern eine alte Form der eins ist, was wiederum für Einheit und den einen Weg zur Erleuchtung steht, wir hörten von der Geburt Buddhas, erfuhren die Gründungsgeschichte der Stupa, bei der das Wasser um den Hügel erst gespalten werden musste, damit die Leute hinkommen konnten, etc.
(Falls euch etwas davon interessiert, erzähle ich auch gerne mehr ;) )
Da Bilder mehr als tausend Worte sagen, könnt ihr selbst einen kleinen Eindruck bekommen:











Im Anschluss besichtigten wir die Altstadt von Kathmandu, genauer gesagt den Durbar Square (Durbar=Palast). Dort sind die Spuren des Erdbebens von vor zwei Jahren nicht zu übersehen. (Wie eigentlich auch in der gesamten Stadt, allerdings steht es hier in sehr großem Kontrast zu den schönen Weltkulturerbe-Gebäuden)










Mitten drin ist ein altes Haus, in dem die Kumari, eine Kindsgöttin bis zu ihrer ersten Menstruation lebt. Das nächste Mädchen wird dann mit einem Alter von circa vier Jahren nach 32 Aspekten von einer Priesterdelegation ausgesucht. Ein sehr wichtiger Gesichtspunkt ist die körperliche Unversehrtheit. Streng genommen dürfte sie, sobald sie sich zB einmal geschnitten hat und Blut geflossen ist nicht mehr Göttin bleiben. Aufwendig geschmückt und geschminkt sind ihre Aufgaben dann die Teilnahme an Prozessionen, den Staatsoberhäupter (früher dem König) Segen zu spenden und ab und an am Fenster zu erscheinen, wo Gläubige sie dann bestaunen können. Alles in allem erscheint mir das Leben als Göttin vor allem in diesem Alter aber nicht sehr erstrebenswert..

Aus diesem Fenster könnte eine Göttin schauen.

Wir konnten auch den Innenhof des Palastes, genauer gesagt eines der drei Paläste, da es ja drei Königsstädte gibt, besichtigen. Dort erfuhren wir mehr über die Königsfamilie, bzw. es hing dort auch eine Ahnengalerie.
Die Geschichte muss ich euch kurz erzählen, sie ist nämlich einfach kaum zu glauben:
Im Jahre 2001 wurde die gesamte Familie (inklusive Familienmitglieder, die eigentlich im Ausland lebten, zum Anlass eines Familienfestes aber ins Land kamen) ermordet. Angeblich war der Kronprinz dafür verantwortlich, der wohl zu viel getrunken, in Folge dessen seine Angehörigen abgestochen hätte und nach ein paar Tagen im Koma an den sich selbst zugefügten Verletzungen verstorben wäre.
Der größte Teil der Bevölkerung ist jedoch davon überzeugt, dass der zweite Bruder des damals amtierenden Königs das Massaker zusammen mit einigen Vertretern des Militärs geplant hatte, um sich selbst auf den Thron zu setzen.  Seine eigene Familie war nämlich die Einzige, die das Blutbad überlebte. An der Macht, versuchte er dann die demokratischen Strukturen zu schwächen und wieder als allmächtiger Herrscher zu regieren. Dies misslang aber gründlich. Er wurde 2008 abgesetzt. So einwandfrei funktioniert die Demokratie allerdings nicht, weshalb Royalisten die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben, dass vielleicht der Enkelsohn des unbeliebten abgesetzten Königs einmal regieren könnte. (Der Sohn ist wohl genauso verrückt, wie der Vater, so dass ihn niemand auf dem Thron sehen möchte: etliche Verhaftungen wegen Drogenmissbrauch zB in Thailand, Wildern in lokalen Wäldern, etc.)


Der Königspalast von außen


Die wütende Form Shivas

Shiva und Parvati betrachten uns aus dem Fenster ihres Tempels


Die letzte Station in diesem Tag war wieder eine Stupa. Die größte in Nepal.
Prinzipiell haben Lion und ich uns zwar darauf geeinigt: Kennst du eine, kennst du alle, da der Aufbau doch sehr gleich ist. Trotzdem ist es immer wieder faszinierend, eine zu sehen.
Außerdem konnten wir an dem Platz drumherum eine Malschule und ein buddhistischen Kloster besichtigen. Und die Leute zu beobachten ist sowieso ein ständiges Highlight!